Am 02.Mai – dem Kampf- und Feiertag der Arbeitslosen, riefen wir, von der FAU Heidelberg, zu einer Protestkundgebung vor das Jobcenter Heidelberg. Zusammen mit Genoss_innen von den Glücklichen Arbeitslosen und dem Anti-Ableistischen Netzwerk zeigten wir Flagge gegen Lohnarbeitszwang, Leistungsfetisch und staatlich organisierte Armut. Untenstehend findet ihr den Redebeitrag der FAU Heidelberg:
Liebe Genoss_innen,
Die selbstzweckhaft organisierte kapitalistische Wirtschaftsweise, deren Sinn nicht etwa die Erfüllung menschlicher Bedürfnisse durch konkrete Tätigkeit, sondern die Selbstverwertung des Werts ist, schafft einen gesellschaftlichen Konsens, dass es besser sei irgendeine Arbeit zu haben, als keine. Diese ideologische Überhöhung der Arbeit als zentrales Element welches das bürgerliche Subjekt auszeichnet, enthält schon das Ressentiment gegenüber allem vermeintlich „Unproduktivem” sowie den stummen Zwang, überhaupt Arbeit haben zu müssen, um ein halbwegs erträgliches Leben zu führen, während das System selbst Arbeitslosigkeit schafft, fördert und für seine Gewinnsucht ausnutzt.
Nichts schildert dies besser als die Behandlung von Arbeitslosen seitens des Staates und seines durchführenden Organs, vor dem wir heute stehen. Die Arbeitslosenunterstützung in Deutschland ist eine schön verpackte moderne Sklaverei. Beliebig austauschbare Bullshit-Jobs und Sinnfreie Weiterbildungs- und Eingliederungsmaßnahmen werden unter kaum Berücksichtigung der Fertigkeiten und Wünsche der Betroffenen ausgeteilt und zwar unter der existentiellen Drohung von Sanktionen, solange das Jobcenter diese Menschen aus der Statistik streichen kann. Langzeitarbeitslosen müssen sich auch regelmäßige Kontrollen und Eingriffe in ihrem Alltag und ihrer Privatsphäre ertragen um eben das Existenzminimum zu erhalten.
Zusätzlich ist der sogenannte Öffentlich geförderte Beschäftigungssektor, der zum Großteil Menschen beschäftigt, die Arbeitslosengeld oder Bürgergeld beziehen, natürlich in Marktverhältnissen konkurrenzfähiger als normale Arbeitsverhältnisse, wenn die Betroffenen unter elenden Bedingungen schuften müssen, während sie kein Gehalt, bis auf das eine Eurolein die Stunde, und keinen arbeitsrechtlichen Schutz erhalten. Das hat dazu geführt, dass diese organisierte Armut, Ausgrenzung, Erniedrigung und Bevormundung der Arbeitslosen nicht nur aufrecht erhalten und weiter gefördert wurde, sondern zu einem der wichtigsten Bestandteile der deutschen Wirtschaft neben dem Niedriglohnsektor geworden ist. Mit der dadurch vereinfachten Gewinnakkumulation gewinnt auch Deutschland zurecht den ersten Platz für die größte Lücke zwischen reich und arm in ganz Europa.
Wenn wir diese Situation verändern wollen, müssen wir ein Leben jenseits des selbstzweckhaften Arbeitsethos der kapitalistischen Gesellschaft. Eine Welt ohne Lohnarbeit, und dementsprechend auch ohne Arbeitslosigkeit, wo die Menschen, selbstverständlich werden immer noch Häuser bauen, Kleidung und Nahrung, ebenso wie viele andere Dinge herstellen, wo sie Kinder aufziehen werden, Bücher schreiben, diskutieren, Gärten anlegen, Musik machen und dergleichen mehr, aber dann aus konkreten Bedürfnissen oder für ihre eigene freie Entfaltung und nicht aus dem Leistungszwang.
Dabei sind wir mit der sich immens weiterentwickelnden Technik auf einem guten Weg, dass der Bedarf an menschlichen Arbeitskräften eher sinkt als steigt. Das Problem ist nicht, dass die Arbeit knapp wird. Das Problem ist, dass eine solche eigentlich doch begrüßenswerte Entwicklung zu Armut, Elend und Verzweiflung, statt zu menschlicher Befreiung führt. Die Produktivkräfte sind hinreichend entwickelt, um bei minimalem Arbeitsaufwand eine Versorgung der Menschheit zu garantieren. Notwendig dafür ist aber, dass wir die Abwicklung gesellschaftlich notwendiger Tätigkeiten bewusst, selbstbestimmt und selbstverwaltet in unsere Hände nehmen.